Bundesrat Stenographisches Protokoll 647. Sitzung / Seite 95

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Also mein persönlicher Eindruck war, daß Informationen eher unwillig gegeben werden, und am Gesichtsausdruck war abzulesen: lästige Senioren. Ich meine und bin davon überzeugt, daß das natürlich eine Erfahrung war, die vielleicht eher zur Minderheit gehört. Ich möchte es so werten.

Ich habe auch eine andere Erfahrung. Die ÖH-Linz schickt mir jede Woche ihren "Wochenkurier". Darin sind sehr interessante Dinge zu lesen. Ich möchte das nicht näher aufzählen, aber das reicht vom Frauenreferat über BWL im Ausland bis hin zum Wichtigsten, zu den Speiseplänen der Woche, wo man um 49 S bis 58 S alles bis zum Cordon bleu und, was weiß ich noch, bekommt, einschließlich Getränk. – Also das Bemühen ist sicher vorhanden.

Für die meisten Studierenden, mit denen ich gesprochen habe – ich habe inzwischen ein halbes oder ein ganzes Dutzend Neffen und Nichten, die sich auch beteiligt haben, die auch in der ÖH tätig waren –, bedeutet ÖH, weil nicht einsichtig – für mich ist es jetzt, nachdem ich die Regierungsvorlage gelesen habe, einsichtig –, das Ärgernis, zweimal im Jahr den verpflichtenden Beitrag zahlen zu müssen. Für manche Studierende ist die ÖH ein Teil ihres Lebens. Wenn man sie fragt: Warum machst du denn das?, dann heißt es: Ich möchte mich für meine Mitstudierenden einsetzen. Oder manche haben sogar den idealistischen Glauben, die Gesellschaft verändern zu können, manche planen ihre Karriere, und manche – wie es im täglichen Leben auch ist – haben einfach Lust am "Gschaftln". Das sind in etwa die Gründe für die Mitarbeit bei der ÖH.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verzeihen Sie mir diese sehr persönlich gehaltenen Ausführungen.

Ich darf abschließend sagen: Mit der vorliegenden Novelle werden 56 Prozent der ausländischen Studierenden passiv wahlberechtigt sein. Meine Fraktion sieht darin ein wichtiges Zeichen, gerade in Zeiten des österreichischen EU-Vorsitzes, und erteilt gerne ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.13

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach.

14.13

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ÖH-Gesetz gehört zu dem Bereich der österreichischen Gesetzgebung, der Mitbestimmung fördert und auch fordert und damit zur Durchflutung verschiedenster gesellschaftlicher Bereiche mit Demokratie beiträgt. Das gefällt halt manchen nicht, aber, meine Damen und Herren, wir wissen, wie ungeheuer wichtig für die Demokratie insgesamt eine funktionierende, selbstbewußte zivile Gesellschaft ist.

Wir Sozialdemokraten bekennen uns ausdrücklich und mit allem Nachdruck zu den Körperschaften öffentlichen Rechts, die ihre Angelegenheiten in Selbstverwaltung regeln. (Beifall bei der SPÖ.) Daß Argumente wie schwache Wahlbeteiligung bei Gegnern der Selbstverwaltungskörper herhalten müssen, um deren Existenzberechtigung in Frage zu stellen, das kann nicht akzeptiert werden. Denn in Gesellschaften, deren Bekenntnis zur Demokratie wesentlich länger ungebrochen ist, als es bedauerlicherweise bei uns der Fall war, zweifelt niemand an der demokratischen Legitimität einer mit 30prozentigen Wahlbeteiligung zustande gekommenen Regierung oder Wahl eines Staatsoberhauptes.

Demokratie, demokratisches Verhalten, Dialogfähigkeit, Respekt vor der Meinung anderer und Kompromißfähigkeit müssen erlernt und ständig geübt werden. Auch daher begrüßen und verteidigen wir mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die gesetzlichen Interessenvertretungen. – Soweit zum Grundsätzlichen.

Nun zum Gesetz selbst. Selten war für mich die Lektüre der Erläuterungen zur Regierungsvorlage so aufschlußreich wie diesmal. Denn da war herauszulesen, wie sehr der Ministerialentwurf geprägt war von einer deutlichen demokratischen Reife. Diese deutliche demokratische


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