Bundesrat Stenographisches Protokoll 647. Sitzung / Seite 124

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über das Instrumentarium der Arbeitsassistenz wurde schon berichtet, und es wurde ebenfalls für gut befunden.

Ein Punkt, der mir jeweils in diesem Zusammenhang noch wichtig erscheint, ist der Bereich des besonderen Kündigungsschutzes, den ich im Grunde genommen auch für unverzichtbar halte, und ich möchte das anhand eines Beispieles aus Niederösterreich demonstrieren.

Lilienporzellan in Wilhelmsburg – eine Geschirrfabrik, die einmal 300, 400 oder 500 Beschäftigte gehabt hat – hat sukzessive Arbeitsplätze abgebaut und Teile der Produktion ins Ausland verlagert. Es gab zwei Bereiche, nämlich Geschirr und Sanitär, vom Geschirrbereich ist nur mehr der Verkauf in Wilhelmsburg, der Bereich Sanitär ist zurzeit – ich hoffe noch sehr lange – komplett dort. Ein Bekannter von mir war nach dem Behinderteneinstellungsgesetz in diesem Betrieb beschäftigt, war 30 Jahre lang Meister im Bereich Geschirr, und ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, welche Schwierigkeiten ein heute 50jähriger, der 30 Jahre lang in einer Branche beschäftigt war, trotz aller Unterstützungen, die es gibt, derzeit am Arbeitsmarkt hat. Bei einem behinderten 50jährigen ist die Chance, eine Beschäftigung zu finden, gleich Null.

Siehe da, es gab die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb, siehe da, das Management mußte andere Überlegungen anstellen, und siehe da, es gab auch für diesen 50jährigen eine adäquate Beschäftigung in diesem Unternehmen. – Gerade anhand dieses Beispieles wird es für mich sichtbar, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß der Kündigungsschutz ein unverzichtbares Element einer guten Behindertenpolitik ist.

Zum Schluß noch eine kurze Bemerkung zu den Begriffen "Geschützte Werkstätten" beziehungsweise "Integrative Betriebe": Ich glaube, daß diese Umbenennung deshalb wichtig ist, weil mit dem Begriff "Geschützte Werkstätten" etwas Negatives in Verbindung gebracht wurde, denn wenn jemand in einer geschützten Werkstätte tätig ist, muß an ihm oder an ihr etwas nicht stimmen. Ich glaube, daß deshalb die Umbenennung ein sehr wesentliches Element, ein gesellschaftspolitisches Element ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Behindertenpolitik, die wir machen, ist jedoch nicht nur geprägt davon, welche Gesetze wir beschließen, unsere Behindertenpolitik ist vor allem dadurch geprägt, wie wir im alltäglichen Umgang mit unseren behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern umgehen. Betrachten wir sie ganz einfach als Menschen wie du und ich, und geben wir ihnen die Chance auf ein eigenes, nach ihren Bedürfnissen ausgerichtetes Leben. – Wir als Sozialdemokraten werden deshalb dieser Gesetzesvorlage zustimmen und auch in Zukunft an der Seite der Behinderten mit ganzer Kraft für bessere Lebensumstände kämpfen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

16.27

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Vorerst herzlichen Dank für Ihre unterstützenden Wortmeldungen zur Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes. Ich bin überzeugt davon, daß wir mit diesem Gesetz eine Chance haben, noch mehr für die Integration von Behinderten in unsere Gesellschaft, in unsere Arbeitswelt zu tun, und damit zu einem größeren Selbstverständnis des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens kommen. Ich bedanke mich für jede Unterstützung von jeder Frau und von jedem Mann, die diesen Weg mit uns gehen.

Es wurde Verschiedenes von Ihnen angesprochen. Es ist zum Beispiel die Frage der Überfüllungsprämie erwähnt worden. Wir haben es uns nicht leicht gemacht, von der bisherigen Regelung abzugehen, aber es haben uns verschiedene Studien bewiesen und sehr viele Gespräche in der Praxis gezeigt, daß diese Regelung eigentlich nicht jene Treffsicherheit und Bedarfsorientiertheit gehabt hat, die wir eigentlich haben wollten. Das heißt, sie ist nicht punktgenau dort gelandet, wohin wir es wollten. Es ist eine Art Gießkannensystem entstanden, ohne daß man damit dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer punktuell richtig helfen konnte. Daher werden


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